Deborah Reinert
RECHTSANWÄLTIN
 
 

Das TSG - Gesamtüberblick - Stand Ende 2005

 

Das Transsexuellengesetz

Das TSG ist unterteilt in Vorschriften über die Namensänderung (§§ 1-7 TSG) und die Personenstandsänderung (§§ 9-15 TSG).



Der erste Abschnitt des TSG (§§ 1-7) beschäftigt sich mit der Namensänderung, dem gerichtlichen Verfahren und ihren Wirkungen & Folgen. So wird hier auch der Verlust des geänderten Vornamens (§ 7) geregelt.


Der zweite Abschnitt des TSG (§§ 8-15) beinhaltet die Regelungen über die Personenstandsänderung, das Verfahren, ihre Wirkungen und Folgen. Es handelt sich um ähnliche Vorschriften wie im ersten Abschnitt, im Wesentlichen unterscheiden sich die Anforderungen die an eine Namensänderung und/oder Personenstandsänderung gestellt werden. Nach § 9 können beide Verfahren miteinander verbunden werden.


Der dritte Abschnitt betrifft die Änderung von Gesetzen, der vierte Abschnitt Übergangs-/ Schlussvorschriften.


I. Voraussetzungen


§ 1 TSG


(1) Die Vornamen einer Person, die sich auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben, sind auf ihren Antrag vom Gericht zu ändern, wenn



  1. 1.  sie Deutscher im Sinne des Grundgesetzes ist oder wenn sie als
    Staatenloser oder heimatloser Ausländer ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder
    als Asylberechtigter oder ausländischer Flüchtling ihren Wohnsitz im
    Geltungsbereich dieses Gesetzes hat,

  2. 2.mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sich ihr
    Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nicht mehr ändern wird, und


  3. 3.sie mindestens fünfundzwanzig Jahre alt ist.



(2) In dem Antrag sind die Vornamen anzugeben, die der Antragsteller künftig führen
.


Anm. §  Abs. 1 Nr. 3 ist vom BVerfG in einem Beschluss


1. Der Geltungsbereich des TSG

Die erste Frage, die man sich stellen muss, sofern man mit dem Gedanken spielt das TSG in Anspruch nehmen zu wollen/müssen, ist die Frage nach der persönlichen Anwendbarkeit des Gesetzes. Gilt das TSG für mich und wenn ja, behandelt es auch meinen Fall?

a) Das Verfahren nach dem TSG können nur Deutsche und bestimmte anerkannte andere Berechtigte in Anspruch nehmen. Menschen, die nicht zu diesem Personenkreis gehören, fallen nicht unter die Regelungen des TSG, vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 8 Abs. 1 Nr. 1! Wie lange sie bereits in Deutschland leben, spielt dabei keine Rolle. Ebenso gibt es auch keine Sonderregelung für die EU-Bürger.

Auf den ersten Blick erscheint es problematisch, dass deutsche Staatsbürger hier gegenüber Ausländern scheinbar privilegiert werden. Es ist jedoch zu beachten, dass so wie die Rechtsfähigkeit, die Geschlechtszugehörigkeit oder der Name nach den Rechtsnormen zu beurteilen ist, welchen der Rechtsträger unterliegt. Das Heimatrecht des Rechtsträgers entscheidet, unter welchen Voraussetzungen eine Namens- oder Geschlechtsänderung erfolgen kann1. Diesem Grundsatz tragen §§ 1, 8 Rechnung, grundsätzlich kann kein Staat in den Zuständigkeitsbereich eines anderen eingreifen.

Eine Begründung liefert der Zusammenhang zwischen Namen, Personenstand und Ausweispapieren. Letztere werden in der Regel für Personen ausgestellt dessen Staat sie angehören, sodass das Heimatrecht des Staates einschlägig sein muss, aus welchem die betreffende Person stammt2.

Des weiteren muss beachtet werden, dass Transsexualität von den verschiedenen Staaten ganz unterschiedlich geregelt werden kann. Sieht eine ausländische Rechtsordnung beispielsweise eine neue Geschlechtszuordnung gar nicht vor, so kann die Anwendung dieser Norm im Inland - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des Art. 6 EGBGB - gegen den Ordre public (vgl. Art. 6 EGBGB) verstoßen3.

Unter dem Ordre public (der öffentlichen Ordnung) ist zu verstehen, dass die Rechtsnorm eines anderen Staates nicht anzuwenden ist, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Sie ist insbesondere nicht anzuwenden, wenn die Anwendung mit den Grundrechten unvereinbar ist.

Wie aus §§ 1 und 8 TSG und der entsprechenden Gesetzesbegründung gefolgert wird gibt es ein striktes Gleichlaufprinzip4. Deutsche Gerichte sind für die Entscheidung über die Änderung des Vornamens oder der rechtlichen Geschlechtszugehörigkeit eines Transsexuellen nur dann international zuständig, soweit das TSG anwendbar ist, der Betroffene also zumindest das deutsche Personalstatut hat. Die Entscheidung über die Änderung der Vornamen und der Geschlechtszugehörigkeit eines ausländischen Transsexuellen soll dem Heimatstaat des Betroffenen vorbehalten bleiben5.

Das deutsche Personalstatut hat man nach Art. 5 EGBGB dann, wenn man mit dem Land, dessen Rechtsordnung man in Anspruch nimmt, durch seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder den Verlauf seines Lebens am engsten verbunden ist. Das ist immer dann der Fall, wenn die Person auch Deutscher ist6, diese Rechtsstellung geht dann vor. Nach dem Sprachgebrauch des deutschen IPR versteht man darunter diejenige Rechtsordnung, welche für alle persönlichen Rechtsverhältnisse eines Menschen im Bereich des Personen-, Familien- und Erbrechts maßgebend ist7.

Nun könnten hierunter durchaus z.B. EG-Bürger fallen, die ohne die deutsche Staatsangehörigkeit zu haben ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben. Das TSG schränkt aber seine Anwendbarkeit dann noch weiter ein, nämlich auf Staatenlose, heimatlose Ausländer, Asylberechtigte oder
ausländische Flüchtlinge8 mit ihrem gewöhnlichen Aufenthalt oder Wohnsitz in Deutschland.

b) Eine weitere Frage stellt sich dann, wo das Verfahren durchgeführt werden muss, wenn ich z.B. als Auslandsdeutscher zwar die deutsche Staatsangehörigkeit habe, nicht aber in Deutschland lebe? Hier ist allein aus praktischen Gründen zu sagen, dass prinzipiell das Verfahren in Deutschland durchgeführt werden muss.

c) Noch einige Anmerkungen zum Auslandsbezug.

aa) Die im Ausland erfolgte behördliche Änderung des Namens eines Deutschen ist grundsätzlich nur dann anzuerkennen, wenn er zugleich die betreffende ausländische Staatsangehörigkeit hat. Für die Verfahren nach dem TSG gilt allerdings, dass die Anerkennung der im Ausland vorgenommenen gerichtlichen oder behördlichen Vornamens- oder Geschlechtsänderung eines Deutschen nicht möglich ist9.

bb) Dieser Grundsatz wirkt sich auch auf die Anerkennung einer ausländischen behördlichen Namensänderung aus, welche in Deutschland nur dann Wirkung entfaltet, wenn sie aus dem Heimatstaat des Namensträgers stammt und nicht § 16a FGG widerspricht. Dort ist bestimmt, dass die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ausgeschlossen ist, wenn die Gerichte des anderen Staates nach deutschem Recht nicht zuständig sind. Dieser Grundsatz gilt auch, wenn die Anerkennung der Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, wenn die Entscheidung mit einer hier erlassenen oder anzuerkennenden früheren ausländischen Entscheidung unvereinbar ist oder wenn das ihr zugrunde liegende Verfahren mit einem früher hier rechtshängig gewordenen Verfahren unvereinbar ist. Dies wird insbesondere dann angenommen, wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar wäre. Für ausländische Transsexuelle gilt, dass eine ausländische gerichtliche oder behördliche Entscheidung über die Änderung des Vornamens oder der rechtlichen Geschlechtszugehörigkeit nach Maßgabe des § 16a FGG im Inland anerkannt wird, sofern der Heimatstaat des Transsexuellen entschieden hat10.





2. Namensänderung


Das deutsche Namensrecht bestimmt mit Gesetzeskraft einen Geburtsnamen, der die familiäre11 Zugehörigkeit kennzeichnet12. Der Geburtsname liegt jedenfalls nicht in der freien Disposition des Einzelnen13. Das Namensrecht schützt das Interesse der Allgemeinheit, das Individuum über seinen Namen identifizieren zu können14, das administrative Interesse wird heute allerdings weitgehend durch EDV Registrierungsnummern erfüllt15. Dem gegenüber steht das Individualinteresse des Namensträgers, welches sich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht herleiten lässt16.

Infolgedessen ist eine Namensänderung durchaus zulässig. Das Namensrecht hat die Aufgabe zwischen den verschiedenen Interessen auszugleichen. Die Namensänderung kann entweder gesetzlich angeordnet werden oder es wird in bestimmten Fällen die Möglichkeit zur Namensänderung eröffnet.

a) Der Vorname einer Person, die unter das deutsche Namenstatut fällt, kann nach abgeschlossener Beurkundung im Geburtenbuch nicht im Wege der Berichtigung, sondern nur über eine behördliche Namensänderung (nach NÄG) korrigiert werden. Gleiches gilt für die Hinzufügung eines weiteren Vornamens.

Es gibt zwei Möglichkeiten seinen Vornamen zu ändern, nach dem Namensänderungsgesetz (NÄG) oder dem TSG. TSG und NÄG konkurrieren jedoch nicht miteinander, sondern betreffen einen unterschiedlichen Anwendungsbereich.


aa) Nach dem NÄG können aus wichtigem Grund17 Vor18- und/oder Nachnahme19 geändert werden. Das BVerwG misst dem Interesse an der Fortführung des Vornamens ein geringeres öffentliches Interesse bei als bei dem Nachnamen20. Auch bei der Änderung des Vornamens ist der wichtige

Grund mehr als ein nur vernünftiger Grund21.


bb) Wird die Namensänderung versagt, so ist die Versagung ein vor den Verwaltungsgerichten anfechtbarer Verwaltungsakt. Dieser muss von den Gerichten in vollem Umfang überprüft werden.


cc) Nach rechtswirksamer Änderung muss das Geburtenbuch geändert (nicht berichtigt) werden und es ist ein Randvermerk einzutragen (§ 30 Abs. 1 S. 1 PStG).

dd) Für Transsexuelle ist das NÄG allerdings nicht anzuwenden, denn das TSG ist insoweit Spezialgesetz gegenüber dem NÄG.


b) Das TSG durchbricht die im deutschen Namensrecht geltende Regel, dass sich aus dem Vornamen des Menschen sein Geschlecht erschließen lassen muss22. Das deutsche Recht kennt eigentlich gar keine allgemein verbindlichen gesetzlichen Vorschriften für die Vornamenswahl.

Allerdings ist die Führung eines Vornamens gesetzlich vorgeschrieben, man spricht von einem so genannten Zwangsnamen. Eine Abänderung ist nicht ohne weiteres möglich. Für Zwangsnamen besteht grundsätzlich eine Namensführungspflicht23.

Neben der Voraussetzung, dass der Vorname das Geschlecht des Namensinhabers eindeutig bezeichnen muss, sind erkennbar anstößige oder lächerliche Vornamen unzulässig24. Das kann im Einzelfall zu Problemen führen, denn an der Namenswahl werden gesellschaftliche Veränderungen/Anschauungen am deutlichsten sichtbar und können bei der elterlichen Namenswahl durchaus Schwierigkeiten beim Standesamt bereiten.

Im grossen und ganzen gilt, dass wird ein Name in dem einem Land als Mädchenname, in einem anderen Land aber als Jungenname gebraucht, so muss im „Kollisionsfall“ ein zweiter, „klärender“ Name beigegeben werden.

Geradezu beängstigend fortschrittlich wird es, wenn der in Frage stehende Name im Ursprungsland eindeutig einem Geschlecht zugeordnet werden kann. Dann kann er auch hier verwendet werden, auch wenn er im deutschen Sprachgebrauch ein Vorname des anderen Geschlechts ist25 und wird damit begründet, dass der deutsche Grundsatz, der Vorname muss das Geschlecht erkennen lassen, nicht so wesentlich ist, dass er zum Inhalt des internationalen Ordre public zu zählen wäre26. Allerdings ist bei der Namenswahl auch der Schutz des Kindes zu beachten, welcher sich nach allgemeiner Ansicht bei hinreichendem Inlandsbezug gegen ein großzügigeres ausländisches Namensrecht durchsetzt27. Hier stellt sich dann die Frage, ob dieser Grundsatz, dann auch für die Namenswahl nach dem TSG gilt, da dieses Argument dann in der Regel keine Rolle mehr spielt.


Ein im Ausland rechtmäßig erworbener Vorname ist in Deutschland allerdings auch dann grundsätzlich anzuerkennen, wenn er nach deutschem Namensrecht nicht gewählt werden könnte. Konstellationen, in denen die Anwendung ausländischer Vorschriften durch deutsche Gerichte gegen den Ordre-public-Vorbehalt des Art. 6 verstößt (siehe oben), sind im internationalen Namensrecht nicht ausgeschlossen aber selten.


3. Transsexualität

Transsexualität ist ein schwer einzugrenzender Begriff. Wird Transsexualität dann definiert, so ist den einen die Definition zu eng, den anderen zu weit. Zur Transsexualität kommt es einerseits durch die bipolare Vorstellung von „Geschlecht“ und zum anderen wenn sich eine Person eben dem anderen Geschlecht, als dem eingeteilten, zugehörig fühlt.

Das deutsche Recht geht – wie viele andere Rechtsordnungen auch – von der Einteilung der Menschen in „männlich“ und „weiblich“ aus. In Art. 3 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz (GG) heißt es: “Männer und Frauen sind gleichberechtigt.” Das bedeutet, für unsere Rechtsordnung gibt es nur Männer und Frauen, nichts dazwischen. Nach § 21 Abs.1 Nr. 3 Personenstandsgesetz (PStG) muss das Geschlecht eines Kindes – und dieses kann nur männlich oder weiblich sein – im Geburtenbuch eingetragen werden. Gem. § 266 V der Dienstanweisung für Standesbeamte (DA) ist in Zweifelsfällen eine Bescheinigung des Arztes oder der Hebamme einzuholen und es wird nach dem chromosomalen Geschlecht entschieden. Eine Änderung ist fortan nur noch durch ein Gericht möglich.

a) Intersexualität

In der Praxis stellen sich durch eine dergestalt unflexible Einteilung Probleme ein. Zum einen fallen diejenigen Menschen unter den Tisch, bei denen eine eindeutige Geschlechtsbestimmung nicht möglich ist. Hermaphroditen kennt unsere Rechtsordnung nicht und hat – wie es scheint – auch kein wahrnehmbares Interesse daran sie kennen zu lernen. Mit der Konsequenz, dass ihnen zwangsweise eines der beiden Geschlechter zugewiesen werden muss. Im Ergebnis entspricht dies aber oft nicht ihrer später gefühlten Identität. Viele von ihnen empfinden sich darüber hinaus nicht als männlich oder weiblich sondern als weder noch oder sowohl als auch. Hier bietet unser Recht keine Lösungsmöglichkeiten an. Intersexualität und Transsexualität schließen sich nicht notwendigerweise aus. Im Fall der Intersexualität kann jedoch anstelle des TSG möglicherweise die Regelung des § 47 Personenstandsgesetz („Irrtümliche Geschlechtsfeststellung zum Zeitpunkt der Geburt“) anzuwenden sein.

b) Transsexualität

Von Transsexualität bzw. Transidentität spricht man, wenn das gefühlte von dem bei der Geburt eingetragenen Geschlecht abweicht. Wie oben dargestellt, leben wir im System der normierten Zweigeschlechtlichkeit. Geschlecht wird als bipolar gesehen und es wird als notwendig befunden, sich entweder hier oder da einzuordnen. Alternativ und ausschließlich, in unserer Gesellschaft verlangt man, sich für das eine oder andere Geschlecht zu entscheiden. Und diese Entscheidung ist von den Transidenten durchaus gewünscht, wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen.

Die Konsequenz der geforderten Einordnung ist dann allerdings ein standardisiertes Verfahren und für die Transidenten individuell nicht anpassbar, denn das TSG sieht keine spezifischen Lösungen vor. So werden transidente Menschen teilweise zu operativen Maßnahmen gezwungen, die sie aufgrund gesellschaftlichen Drucks und weniger aus eigener Bestimmung durchführen müssen. Das hierfür erforderliche Verfahren regelt das Transsexuellengesetzes (TSG) von 1980 (Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1980, Teil I, S. 1654 ff).

Im Falle der Transsexualität handelt es sich nicht primär um ein Problem der Sexualität, sondern der Geschlechtsidentität und der Geschlechtsrolle. Deswegen spricht man oft auch in diesem Zusammenhang von Transgender und Transidentität.


c) Geschlecht

aa) Eine gesetzliche Definition für “Geschlecht” gibt es nicht. Unsere Rechtsordnung bestimmt die Geschlechtszugehörigkeit grundsätzlich nach der äußeren körperlichen Beschaffenheit. Nach § 21 Abs. 1 Nr. 3 Personenstandsgesetz (PStG) muss das Geschlecht eines Neugeborenen in das Geburtenbuch eingetragen werden. Nach. § 266 V der Dienstanweisung für Standesbeamte (DA) ist in Zweifelsfällen eine Bescheinigung des Arztes oder der Hebamme einzuholen, im Zweifel wird nach dem chromosomalen Geschlecht entschieden.

bb) Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 06.12.200528 allerdings zur Bestimmung, was ist Geschlecht oder besser, wie kann/soll es definiert werden, interessante Ausführungen gemacht.

Kurz und grob zusammengefasst liegt dem Beschluss folgender Sachverhalt zugrunde: Die Antragstellerin, eine Mann-zu-Frau Transsexuelle, mit Vornamensänderung aber ohne geschlechtsangleichende Operation (kleine Lösung), heiratete ihre Lebenspartnerin. Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 TSG wurde im Geburtenbuch vermerkt, dass die Antragstellerin nun wieder ihren männlichen Vornamen führt. Ihr Antrag auf Wiederherstellung der Vornamensänderung wurde zurückgewiesen. Auf ihre sofortige Beschwerde setzte das Landgericht das Verfahren aus und legte dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vor, ob § 7 Abs. 1 Nr. 3 TSG mit dem Grundgesetz vereinbar sei.

Das BVerfG hat in seinem Beschluss folgende Ausführungen gemacht:

  1. •Die „kleine Lösung“ wird nicht (mehr) als Durchgangsstadium zur „großen Lösung“ gesehen und es wird anerkannt, dass sich die Geschlechtszugehörigkeit nicht allein nach physischen Merkmalen richten kann, sondern wesentlich auch von der psychischen Konstitution eines Menschen und seiner nachhaltig selbst empfundenen Geschlechtlichkeit abhängt.

  2. •Zur Diagnose Transsexualität muss ein operativer Eingriff (Geschlechtumwandlung) nicht notwendigerweise indiziert sein. Transsexualität bedeutet nämlich nicht, dass die betroffene Person mit allen Mitteln danach strebt, ihre Geschlechtsmerkmale zu verändern. Eine Person kann also transsexuell sein ohne eine geschlechtsangleichende Operation zu wollen.

  3. •Demzufolge gibt es auch keine Gründe für eine unterschiedliche personenstandsrechtliche Behandlung von Transsexuellen mit und ohne Geschlechtsangleichung. Das Personenstandsrecht könne so geändert werden, dass ein nach TSG anerkannter Transsexueller auch ohne Geschlechtsumwandlung rechtlich dem von ihm empfundenen Geschlecht zugeordnet wird.


Vergleichen wir nun das, was das BVerfG in seinem Beschluss sagt mit der aktuellen rechtlichen Situation, dem momentanen Status Quo? 

Unsere Rechtsordnung bestimmt die Geschlechtszugehörigkeit grundsätzlich noch nach der äußeren körperlichen Beschaffenheit in männlich oder weiblich (vgl. oben).  Die seelischen Einstellung wurde bislang lediglich in Zweifelsfällen bei Intersexuellen (grundsätzlich ist bei ihnen das „überwiegende“ Geschlecht ausschlaggebend) anerkannt29.

Zu der Zweiteilung der Geschlechter hat das BVerfG (noch) nichts entschieden. Es bleibt also dabei, dass ausgehend davon, dass die medizinische Wissenschaft die Zweigeschlechtlichkeit des Menschen als gegeben voraussetzt.

Das BVerfG hat in seinem Beschluss den relativ unbestimmten Begriff des Geschlechts weiter konkretisiert, indem es ausführte, dass für die Definition „Geschlecht“ wesentlich ist, wie die geschlechtliche Identität selbst empfunden wird, männlich oder weiblich. Die alte, allein am „äußeren“ Geschlecht ausgerichtete Betrachtungsweise, wird als überholt angesehen, denn sie negiert die nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen erforderliche Einbeziehung des empfundenen Geschlechts und diese „neuen“ wissenschaftlichen Erkenntnisse hat das BVerfG in seiner aktuellen Entscheidung berücksichtigt.



Verfahren


TSG § 2 Zuständigkeit


(1) Für die Entscheidung über Anträge nach § 1 sind ausschließlich die Amtsgerichte zuständig, die ihren Sitz am Ort eines Landgerichts haben. Ihr Bezirk umfasst insoweit den Bezirk des Landgerichts. Haben am Orte des Landgerichts mehrere Amtsgerichte ihren Sitz, so bestimmt die Landesregierung durch Rechtsverordnung das zuständige Amtsgericht, soweit nicht das zuständige Amtsgericht am Sitz des Landgerichts schon allgemein durch Landesrecht bestimmt ist. Die Landesregierung kann auch bestimmen, dass ein Amtsgericht für die Bezirke mehrerer Landgerichte zuständig ist. Sie kann die Ermächtigungen nach Satz 3 und 4 durch Rechtsverordnung auf die

Landesjustizverwaltung übertragen.


(2) Örtlich zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk der Antragsteller seinen Wohnsitz oder, falls ein solcher im Geltungsbereich dieses Gesetzes fehlt, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; maßgebend ist der Zeitpunkt, in dem der Antrag eingereicht wird. Ist der Antragsteller Deutscher und hat er im Geltungsbereich dieses Gesetzes weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt, so ist das Amtsgericht Schöneberg in Berlin zuständig; es kann die Sache aus wichtigen Gründen an ein anderes Gericht abgeben; die Abgabeverfügung ist für dieses Gericht bindend.


TSG § 3 Verfahrensfähigkeit, Beteiligte


(1) Für eine geschäftsunfähige Person wird das Verfahren durch den gesetzlichen Vertreter geführt. Der gesetzliche Vertreter bedarf für einen Antrag nach § 1 der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts.


(2) Beteiligte des Verfahrens sind nur

1. der Antragsteller,

2. der Vertreter des öffentlichen Interesses.


(3) Der Vertreter des öffentlichen Interesses in Verfahren nach diesem Gesetz wird von der Landesregierung durch Rechtsverordnung bestimmt.


TSG § 4 Gerichtliches Verfahren


(1) Auf das gerichtliche Verfahren sind die Vorschriften des Gesetzes über die

Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.


(2) Das Gericht hört den Antragsteller persönlich an.


(3) Das Gericht darf einem Antrag nach § 1 nur stattgeben, nachdem es die Gutachten von zwei Sachverständigen eingeholt hat, die auf Grund ihrer Ausbildung und ihrer beruflichen Erfahrung mit den besonderen Problemen des Transsexualismus ausreichend vertraut sind. Die Sachverständigen müssen unabhängig voneinander tätig werden; in ihren Gutachten haben sie auch dazu Stellung zu nehmen, ob sich nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft das Zugehörigkeitsempfinden des Antragstellers mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ändern wird.


(4) Gegen die Entscheidung, durch die einem Antrag nach § 1 stattgegeben wird, steht den Beteiligten die sofortige Beschwerde zu. Die Entscheidung wird erst mit der Rechtskraft wirksam.



I. Anwendung der Vorschriften des FGG

1. Soweit keine speziellen Regelungen gelten, unterliegt das Verfahren nach dem TSG der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG), § 4 TSG. Hierunter versteht man dem ordentlichen Gericht übertragene Bereiche. Die freiwillige Gerichtsbarkeit dient vorwiegend der Feststellung, der Fortbildung und dem Schutz privater Rechtsverhältnisse (z. B. Vormundschaft, Adoption, Versorgungsausgleich usw.). Im Gegensatz zum Zivilprozess stehen sich hier in der Regel nicht Parteien mit gegensätzlichen Interessen gegenüber. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von „vorsorgender Rechtspflege“ oder von „Rechtsfürsorge im öffentlichen Interesse“.

2. Wesentliche Merkmale der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind, dass das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag tätig wird. Die Beteiligten werden als Verfahrensbeteiligte (nicht als Kläger und Beklagte) bezeichnet (§ 13 FGG), es besteht kein Anwaltszwang und die Verhandlungen sind nicht öffentlich. Entscheidungen werden durch Beschluss oder Verfügungen – nicht durch Urteil – gefällt (§ 16 FGG).

3. Der Verweis auf die Regelungen im FGG ist in mehrerer Hinsicht bedeutsam:

  1. •Grundsätzlich ist es nicht erforderlich einen Anwalt damit zu beauftragen, das Verfahren durchzuziehen. Dennoch würde ich empfehlen, sich rechtlich beraten zu lassen! Und zwar bereits im Vorfeld. Der Umstieg hat bestimmte rechtliche Ausstrahlungen in viele Lebensbereiche. Ich denke hier an die berufliche Situation (Arbeitsrecht), möglicherweise muss man über eine Scheidung nachdenken (Familienrecht), Probleme mit dem Vermieter (Mietrecht), der Krankenkasse und Versicherungen (Sozialrecht) und so weiter. Es macht Sinn, dies bereits zu Anfang mit einem kompetenten Anwalt abzuklären, der einen kennt und die rechtliche Situation einheitlich überblickt. Überdies kann ein Anwalt helfen, die Kosten des Verfahrens im Griff zu behalten, und gegebenenfalls auf staatliche Unterstützungsmöglichkeiten hinweisen.

  2. •Auch für die erforderlichen Gutachten sind die Regelungen des FGG wichtig. In § 12 FGG ist bestimmt, dass das Gericht von Amts wegen ermitteln muss, hinsichtlich der Auswahl der Sachverständigen wird aber auf § 404 1 bis 3 Zivilprozessordnung (ZPO) verwiesen, wo normiert ist, dass dem Gericht Vorschläge unterbreitet werden können (an die das Gericht aber auch wiederum nicht gebunden ist). Wer also schon in therapeutischer Behandlung ist, kann dem Gericht seinen Gutachter – sofern er die erforderliche Kompetenz auf dem Gebiet hat – vorschlagen.

4. Rechtszug:

a) § 4 Abs. 4 Satz 1 sieht das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde für Entscheidungen vor, durch die einem Antrag (nach § 1 bzw. § 8) stattgegeben wird.


Von dieser Regel macht § 9 Abs. 1 Satz 2 TSG eine Ausnahme für die in § 9 geregelte Vorabentscheidung (Zwischenentscheidung)


Wenn nämlich dem Antrag aus § 8 TSG (Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit) nur deshalb nicht stattgegeben werden kann, weil der Antragsteller sich einem seine äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff noch nicht unterzogen hat, noch nicht dauernd fortpflanzungsunfähig ist oder noch verheiratet ist, so hat das Gericht dies vorab festzustellen, und gegen diese Entscheidung steht den Beteiligten die sofortige Beschwerde zu.




II. Sachverständigengutachten

Es müssen zwei Gutachten eingeholt werden. An die Anforderungen die Gutachter betreffend werden unterschiedliche Anforderungen gestellt. Teilweise werden Gutachter zugelassen, welche den Antragsteller bereits therapeutisch begleiten. Teilweise wird gefordert, dass zwischen Therapeut und Gutachter keine Personenidentität bestehen darf.

Die Gerichte besitzen oft keine ausreichende Kenntnis, welche Gutachter Erfahrung mit den besonderen Problemen im Bereich Transsexualität haben. Zuweilen erfolgt die Kontaktaufnahme durch die Gutachter schleppend.

In der gutachterlichen Praxis versteht man Transsexualität als Form der Störung der Geschlechtsidentität. Diese Störung ist gekennzeichnet durch die dauerhafte Gewissheit, sich dem biologisch anderen Geschlecht zugehörig zu fühlen. Das beinhaltet die Ablehnung der mit dem biologischen Geschlecht verbundenen Rollenerwartungen und den drängenden Wunsch, sozial und juristisch anerkannt im gewünschten Geschlecht zu leben.
Zur Diagnose greift man auf das international gebräuchliche Klassifikationssystem der Krankheiten (DSM-IV, ICD-10) zurück. Man spricht von einer tief greifenden und dauerhaften gegengeschlechtliche Identifikation und anhaltendem Unbehagen hinsichtlich der biologischen Geschlechtszugehörigkeit. Oder einem Gefühl der Inadäquatheit in der entsprechenden Geschlechtsrolle mit klinisch relevantem Leidensdruck und/oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionen.

Es besteht eine graduell unterschiedliche Ablehnung der körperlichen Merkmale des angeborenen Geschlechtes sowie in der Regel der Wunsch, durch hormonelle und chirurgische Maßnahmen soweit als möglich die körperliche Erscheinungsform dem Identitätsgeschlecht anzugleichen. Wie das BVerfG in seinem Beschluss vom 06.12.2005 ausgeführt hat, kann die Geschlechtszugehörigkeit nicht allein nach den physischen Geschlechtsmerkmalen bestimmt werden. Sie hängt wesentlich auch von der psychischen Konstitution eines Menschen und seiner nachhaltig selbst empfundenen Geschlechtlichkeit ab30.



Es werden folgende diagnostische Maßnahmen durchgeführt:


  1. •Eine Erhebung der biographischen Anamnese mit den Schwerpunkten Geschlechtsidentitätsentwicklung, psychosexuelle Entwicklung (einschließlich der sexuellen Orientierung), gegenwärtige Lebenssituation;

  2. •eine körperliche Untersuchung mit Erhebung des gynäkologischen bzw. andrologischen/urologischen sowie endokrinologischen Befundes;

  3. •eine klinisch-psychiatrische/psychologische Diagnostik, da viele Patienten mit Störungen der Geschlechtsidentität erhebliche psychopathologische Auffälligkeiten aufweisen. Diese können der Geschlechtsidentitätsstörung vorausgegangen oder reaktiv sein oder gleichzeitig bestehen.


Die klinisch-psychiatrische/psychologische Diagnostik soll breit angelegt sein.

Untersucht und beurteilt werden sollen:


  1. •das Strukturniveau der Persönlichkeit und deren Defizite; das psychosoziale Funktionsniveau;

  2. •neurotische Dispositionen bzw. Konflikte;

  3. •Abhängigkeiten/Süchte; suizidale Tendenzen und selbstbeschädigendes Verhalten;

  4. •Paraphilien/Perversionen;

  5. •psychotische Erkrankungen;

  6. •hirnorganische Störungen;

  7. •Minderbegabungen.


bb) Der Zirkelschluss, "transsexuell ist, wer anhaltend und überzeugend geschlechtsangleichende Operationen anstrebt“, hat in der Vergangenheit immer wieder für Transsexuelle zu einem Zwang geführt, sich weitgehenden operativen Eingriffen zu unterziehen, um als "echte(r)" Transsexuelle(r) zu gelten. Heute ist anerkannt, dass auch aus der weitgehend sicheren Diagnose Transsexualismus nicht ohne weiteres somatische Therapiemaßnahmen sowie deren Umfang und Zeitpunkt abzuleiten sind. Es ist also nicht so, dass bei Vorliegen einer Transsexualität geschlechtsangleichende Operationen automatisch indiziert sind.

Sozialmedizinische Begutachtung geschlechtsangleichender Maßnahmen bei Transsexualität

Mit den gesetzlichen Krankenkassen gibt es oft genug Probleme wenn es um die Kostenübernahme der zur Geschlechtsanpassung erforderlichen Operationen/Maßnahmen geht. Zum einen betrifft es die Höhe der Kosten und eng damit verbunden die Wahl des Operateurs. Zum anderen geht es um das Erfordernis des Schrittes an sich. Transidente Personen kommen in diesem Zusammenhang mit dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) in Kontakt.

Der MDK ist eine Gemeinschaftseinrichtung der gesetzlichen Krankenkassen. Er ist aus dem vertrauensärztlichen Dienst hervorgegangen und seit 1989 in jedem Bundesland als eigenständige Arbeitsgemeinschaft organisiert. In den neuen Bundesländern wurden die Medizinischen Dienste als eingetragene Vereine neu gegründet. Träger sind die gesetzlichen Krankenkassen. In Nordrhein-Westfalen gibt es zwei Medizinische Dienste, den MDK Nordrhein und den MDK Westfalen-Lippe. Berlin und Brandenburg haben einen gemeinsamen MDK mit Sitz in Potsdam.

Die Begutachtung erfolgt in der Regel nach Aktenlage durch den medizinischen Dienst der Krankenversicherungen (MDK). Soweit erforderlich sind allerdings auch persönliche Untersuchungen möglich. Die sozialmedizinische Begutachtung dient der Frage, ob die medizinischen Voraussetzungen für eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen bei der betreffenden Person vorliegen. Das wird dann bejaht, wenn eine Störung mit Krankheitswert vorliegt, die einer medizinischen Behandlung im Sinne von Heilung oder Linderung zugänglich ist. Zudem muss die beantragte Maßnahme eine adäquate medizinische Behandlung darstellen.

Zur Klärung schwieriger/strittiger Fragen im Einzelfall beauftragen die Krankenkassen den MDK mit der sozialmedizinischen Begutachtung des Falles. Im Einzelnen sind die Aufgaben des MDK in § 275 des 5. Sozialgesetzbuches beschrieben, hierzu gehören Stellungnahmen für die Krankenkassen bei Fragen zur:

    •    Arbeitsunfähigkeit

    •    Notwendigkeit, Art, Umfang und Dauer von Rehabilitationsleistungen bzw. -maßnahmen

    •    Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln

    •    Notwendigkeit und Dauer einer Krankenhausbehandlung

    •    Notwendigkeit und Dauer von häuslicher Krankenpflege


Die Entscheidung ob eine Leistung erbracht wird liegt stets bei den Kranken- und Pflegekassen! Die Gutachter und Gutachterinnen des MDK greifen auch nicht in die ärztliche Behandlung ein, sie sprechen nur eine gutachterliche Empfehlung aus und sind im Ergebnis ihrer Begutachtung nur ihrem ärztlichen Gewissen verpflichtet.

Je nach Begutachtungsauftrag gibt es von den Bundesausschüssen der Ärzte und Krankenkassen beschlossene Richtlinien oder Anleitungen um zu gewährleisten, dass die Art und Weise der Begutachtung bundesweit einheitlich ist, sodass die formalen Grundlagen der Begutachtung bestimmt sind.

Für den Bereich der Transsexualität und damit zusammenhängenden Behandlungsmaßnahmen gilt, dass die abschließende gutachterliche Stellungnahme seitens des MDK zu organmedizinischen Maßnahmen unter Zugrundelegen und Verwertung der folgenden Voraussetzungen/Informationen erfolgt. An der Erstellung des psychischen Befundes, dem therapeutischen Verlauf und zur Klärung, inwieweit durch den bestehenden Leidensdruck Transsexualität im Einzelfall zu einer krankheitswertigen Störung bzw. zu einer behandlungsbedürftigen Erkrankung im Sinne des Krankenversicherungsrechtes wird, können behandelnde Psychiater wie auch behandelnde approbierte Psychologische Psychotherapeuten beteiligt werden. Im letzten Fall ist dann ein weiterer kurz gefasster Befundbericht durch einen Psychiater erforderlich.


Formale Voraussetzungen:

Zunächst muss ein Leistungsantrag des/der Betroffenen bei seiner/ihrer Krankenkasse gestellt worden sein und dann ein Gutachtenauftrag an den (zuständigen) MDK ergehen. Der behandelnde Arzt stellt hierfür die erforderliche Indikation.


Materielle Voraussetzung für die Kostenübernahme:

Die Diagnose Transsexualität erfordert ein starkes andauerndes gegengeschlechtliches Zugehörigkeitsgefühl, sowie ein Unbehagen hinsichtlich der biologischen Geschlechtszugehörigkeit/Geschlechtsrolle und schließlich einen klinisch relevanten Leidensdruck. Zu beachten ist hier, dass wie weit eine transidente Person imstande ist auf Kosten der Krankenkassen ihren Körper dem Wunschgeschlecht anzugleichen, durchaus davon abhängen kann, wie weit die soziale Integration und Anerkennung gelingt/gelungen ist.

Transsexualität wird selbst nicht als Krankheit eingeordnet. Erst wenn therapeutische Mittel das Spannungsverhältnis zwischen körperlichem Geschlecht und innerer gegengeschlechtlicher Identifizierung nicht mildern oder beseitigen können, gehört es nach der Rechtsprechung der Sozialgerichte zu den Aufgaben der Gesetzlichen Krankenkassen, die Kosten für eine geschlechtsangleichende Operation zu zahlen. Voraussetzung ist also, dass Transsexualität vorliegt, sie muss Krankheitswert haben und nichtoperative, psychiatrische und psychotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten müssen ausgeschöpft sein und keine Linderung prognostizieren.

Vor Einleitung somatischer Behandlungsmaßnahmen muss diagnostisch eine biographische Anamnese erhoben werden. Hier ist im Wege der Verlaufsbeobachtung abzuklären, wie stimmig und konstant das Identitätsgeschlecht gelebt wird beziehungsweise lebbar ist.  Die Möglichkeiten und Grenzen somatischer Behandlung müssen schließlich vom Patienten realistisch eingeschätzt werden.

Über den psychiatrisch/psychotherapeutischen Verlauf wird dann in einem ausführlichen Bericht durch den behandelnden Psychiater/Psychotherapeuten, der/die den/die Versicherten kennt, Stellung bezogen. Dieser Bericht befasst sich mit den Fragen wie die Persönlichkeit des Patienten strukturiert ist und ob in dieser Hinsicht Defizite vorliegen. Ebenso werden das psychosoziale Funktionsniveau des Transidenten untersucht und mögliche neurotische Dispositionen/Konflikte ermittelt. Der Patient wird ebenfalls auf Abhängigkeiten, Süchte, Paraphilien, Perversionen, suizidale Tendenzen und selbstschädigendes Verhalten untersucht. Schließlich muss auch der Frage psychotischer Erkrankungen und möglicher hirnorganischer Störungen/Minderbegabungen nachgegangen werden.

Werden diese Faktoren (kumulativ/alternativ) diagnostiziert, so können sie die Feststellung der Indikation ausschließen oder verzögern. Dies betrifft insbesondere die geschlechtsangleichende Operation. Hier sollte man sich gut überlegen, wie weit man dem Gutachter Einblick in sein Privatleben gewährt. Gutachter und Therapeut in Personalunion ist nach meiner Erfahrung nicht die beste Wahl.

Was nun im Einzelnen erforderlich ist, damit die Kostenübernahme erfolgen kann, unterscheidet sich je nach Art der Behandlung. Insbesondere was die Dauer der psychologischen Behandlung und den Alltagstest betrifft.

  1. •Die Voraussetzungen zur Indikation Epilationsbehandlung sind, dass der Therapeut den Patienten seit mindestens 6 Monaten behandelt und die oben genannten diagnostischen Kriterien überprüft hat. Der Patient hat das Leben in der gewünschten Geschlechtsrolle seit mindestens 6 Monaten erprobt, was als so genannter Alltagstest bezeichnet wird. Dieser sollte sozial verträglich sein, was bedeutet, dass in der Praxis der Alltagstest durch eine vorgezogene gegengeschlechtliche Hormontherapie erleichtert wird.

  2. •Die Voraussetzungen zur Indikation Hormonbehandlung liegen vor, wenn der Therapeut den Patienten seit mindestens 12 Monaten behandelt und die oben genannten diagnostischen Kriterien überprüft hat. Der Patient sollte das Leben in der gewünschten Geschlechtsrolle mindestens 3 Monate lang erprobt haben.

  3. •Die Voraussetzungen zur Indikation geschlechtsangleichende Operation sind gegeben, wenn der Therapeut den Patienten seit mindestens 18 Monaten behandelt und der Patient das Leben in der gewünschten Geschlechtsrolle seit mindestens 18 Monaten kontinuierlich erprobt (Alltagstest) hat. Er wird zudem seit mindestens einem Jahr hormonell behandelt. Auch ist zu klären, welche spezifischen Erwartungen an das Operationsergebnis für den Patienten im Vordergrund stehen. Ebenfalls muss ein aktuelles ärztliches Attestes über das körperliche Befinden, sowie der Nachweis einer fachlich körperlichen Untersuchung mit der Erhebung eines gynäkologischen/andrologischen-urologischen Befundes vorgelegt werden, sowie ein aktueller endokrinologischer Befundbericht mit Angabe des Hormonstatus sowie Dauer der Hormonsubstitution.

Die Kriterien für die Begutachtungen ergeben sich aus einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) von 1987 (AZ 3 RK 15/86), das entschied, dass Kosten für die Angleichung an das Wunschgeschlecht von der Krankenkasse zu tragen sei. Bis heute orientiert sich die Leistungspflicht der gesetzlichen Kassen daran.


III. Antrag


An das
Amtsgericht Köln


Antrag auf Änderung des Vornamens

gemäß dem Transsexuellengesetz TSG vom 10.09.1980


Hiermit beantrage ich, xy/xx, geboren am 01.01.1901 in Köln, gemäß Abschnitt 1 des TSG der Änderung meines Vornamens zuzustimmen. Weiterhin beantrage ich eine Vorabentscheidung nach §9 TSG.



Begründung:


Die dem Geburtseintrag entsprechende Geschlechtsrolle konnte ich nur unter großen Anstrengungen und nicht sehr erfolgreich leben. Seit 1998 lebe ich vollständig in meiner neuen Geschlechtsrolle. Eine Rückkehr in die männliche Rolle erscheint mir unvorstellbar (§1 Abs, 1.2 TSG). Ich bin Deutsche(r) im Sinne des Grundgesetzes und wohne derzeit in Köln. (§1 Abs. 1.1 TSG). Ich beantrage in Zukunft den Namen xx/xy zu führen. (§1 Abs. 2 TSG)


Antrag zum Verfahren:


Zur Ergänzung meines Antrages lege ich die fachärztliche Stellungnahme von Dr. med. xxx bei.

Ich beantrage hiermit, zur Verkürzung des Verfahrens, diese Stellungnahme als eines der vom Gesetz geforderten Gutachten zuzulassen (§4 Abs. 3 Satz 1 TSG), da es die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Sachverhalte uneingeschränkt bestätigt (§4 Abs. 3 Satz 2 TSG).


Als Zweitgutachter beantrage ich xxx, zu beauftragen. Beide Gutachter sind vom Amtsgericht xxx anerkannte Gutachter in Fragen des TSG.


Ich bitte Sie, falls das Amtsgericht Köln nicht für diesen Antrag zuständig ist, diesen an das zuständige Gericht weiterzuleiten und mich darüber zu informieren.

Unterschrift

Anlagen:

Kopie der fachärztlichen Stellungnahme von Dr. med. xxx

Kopie der Geburtsurkunde

Meldebescheinigung


IV. Prozesskostenhilfe


1. Berechnung





2. Anmerkungen



TSG § 5 Offenbarungsverbot


(1) Ist die Entscheidung, durch welche die Vornamen des Antragstellers geändert werden, rechtskräftig, so dürfen die zur Zeit der Entscheidung geführten Vornamen ohne Zustimmung des Antragstellers nicht offenbart oder ausgeforscht werden, es sei denn, dass besondere Gründe des öffentlichen Interesses dies erfordern oder ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird.


(2) Der frühere Ehegatte, die Eltern, die Großeltern und die Abkömmlinge des

Antragstellers sind nur dann verpflichtet, die neuen Vornamen anzugeben, wenn dies für die Führung öffentlicher Bücher und Register erforderlich ist. Dies gilt nicht für Kinder, die der Antragsteller nach der Rechtskraft der Entscheidung nach § 1 angenommen hat.


(3) In dem Geburtseintrag eines leiblichen Kindes des Antragstellers oder eines Kindes, das der Antragsteller vor der Rechtskraft der Entscheidung nach § 1 angenommen hat, sind bei dem Antragsteller die Vornamen anzugeben, die vor der Rechtskraft der Entscheidung nach § 1 maßgebend waren.


I. Bundeszentralregister


In § 5 TSG geht es um die Wirkungen der Namensänderung. Nach § 20 Bundeszentralregistergesetz (BZRG) haben die Meldebehörden der Registerbehörde bei Änderung Vornamens einer Person den Geburtsnamen, Familiennamen,
Vornamen,
Geburtsdatum,
Geburtsort, und die Anschrift zu übermitteln.
Daneben werden noch die Bezeichnung der Behörde, welche die Namensänderung im Melderegister veranlasst hat, so wie das Datum und Aktenzeichen des zugrunde liegenden Rechtsaktes mitgeteilt.

Diese Mitteilung ist ungeachtet des Offenbarungsverbots nach § 5 Abs. 1 des Transsexuellengesetzes zulässig.


Enthält das Register eine Eintragung über die Person, deren
Vorname sich geändert hat, oder ist über diese Person eine Nachricht über eine Ausschreibung zur
Festnahme oder Aufenthaltsermittlung oder ein Suchvermerk niedergelegt, so ist der neue Name bei der
Eintragung, der Ausschreibungsnachricht oder dem Suchvermerk zu vermerken.




Eine solche Mitteilung darf nur für die in Absatz 2, § 476 Abs. 1 Satz 1 der
Strafprozessordnung oder in § 153a Abs. 2 der Gewerbeordnung genannten Zwecke verwendet werden.
Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so ist die Mitteilung von der Registerbehörde unverzüglich zu
vernichten.


Allgemein gilt, dass die Vorschrift des § 5 TSG nicht unmittelbar ein Recht begründet, eine Frage, in deren Folge die Transsexualität offenbart werden müsste, unzutreffend zu beantworten. Sie verbietet nur, dass bei Behörden nach den genannten Umständen geforscht wird. Diese Beschränkung ergibt sich daraus, dass von Privatpersonen, die von einer Behörde oder Gerichten Auskünfte erlangen wollen ein rechtliches Interesse erfordert wird.

Ausnahmen werden dann zugelassen, wenn besondere Gründe des öffentlichen Interesses dies erfordern oder ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird. Ein „absolutes“ Recht TS zu verschweigen, ergibt sich auch nicht aus dem Diskriminierungsverbot oder dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

Eine weitere Regelung des § 5 ist in seinem Abs. 2 getroffen. Auch hier handelt es sich um einen speziellen Fall der Durchbrechung des  Offenbarungsverbotes, wenn berechtigte Interessen des Ehepartner und der Kinder betroffen sind. Diese können in allen Formularen, in denen der ursprüngliche Name des Ehepartners/Elternteiles anzugeben ist diesen auch verwenden. Wenn die Personalien der Eltern anzugeben sind, kann das Kind den ursprünglichen Vornamen des betreffenden Elternteiles angeben





II. Wirkungen der Namensänderung


Hier gilt es drei Phasen zu unterscheiden. Die erste Phase umfasst die des Alltagstestes, wo möglicherweise schon ein Antrag bei Gericht gestellt wurde aber noch keine Entscheidung vorliegt. Hier ist § 5 TSG vom Wortlaut her zumindest nicht einschlägig. Die zweite Phase betrifft § 5 TSG unmittelbar. Mit dem Rechtskraftvermerk kann man die erforderlichen Papiere auf seinen neuen Namen umschreiben lassen. Die dritte Phase betrifft die rechtliche Situation nach der Personenstandsänderung und wird dort behandelt.



1. Vor der Namensänderung


2. Nach der Namensänderung


Die Rechtsauffassung, eine transsexuelle Person nach bereits vollzogener Namensänderung, aber noch vor dem Geschlechtswechsel ihrer personenstandsrechtlichen Geschlechtszuordnung entsprechend anzusprechen, wird dem Ausnahmevorbehalt des § 10 I TSG nicht gerecht.

Zum anderen ist es eine Selbstverständlichkeit, dass sich die Anrede einer Person ("Herr ..." bzw. „Frau ...") nach dem rechtlich anerkannten Selbstverständnis dieser Person bezüglich ihrer selbst empfundenen Geschlechtszugehörigkeit zu richten hat.

Diese kommt auch in dem ihr gerichtlich zuerkannten Vornamen zum Ausdruck, im grundrechtlich geschützten Achtungsanspruch, der einer Vornamensänderung nach § 1 TSG entgegenzubringen ist.

Ein wegen Bedeutung des Grundrechts aus Art.2 I i.V. mit Art. 1 I GG einklagbarer Rechtsanspruch


III. Rechtsfolgen des Auftretens unter neuem Namen


  1. 1.Man sollte zwei Phasen unterscheiden. Die erste Phase betrifft die Zeit vor der Vornamensänderung. Hier führt man den Alltagstest durch und kann den gegengeschlechtlichen Vornamen insoweit verwenden, wie keine Rechte/Interessen Dritter verletzt werden. Das bedeutet, dass wenn der Name grundsätzlich keine Rolle spielt, der neue Name ohne weiteres verwendet werden kann. Das gilt für die Geschäfte des täglichen Lebens.

  2. 2.Nach der Vornamensänderung gilt das gleiche wie nach der Peersonenstandsänderung. Grundsätzlich müssen die  Personalien geändert werden. Personalausweis und Reisepass müssen neu ausgestellt werden, im KfZ-Brief und im Fahrzeugschein muss der neue Name auch eingetragen werden. Der Führerschein muss demgegenüber nicht geändert werden, da er nicht zur Ausweisung dient und nur mit Personalausweis gültig ist. Dennoch empfiehlt es sich das Dokument auch zu ändern, denn man erspart sich unnötigen Ärger und Komplikationen. Fristen für die „Umschreibung“ gibt es nicht, es empfiehlt sich jedoch das alles recht zügig durchzuführen, da sonst ggf. bestimmte Zustellungen nicht vollzogen werden könnten usw.


Verträge müssen grundsätzlich nicht geändert/umgeschrieben werden, es sei denn Sinn und Zweck des Vertrages würden dies erfordern. Es empfiehlt sich jedoch dem Vertragspartner den Wechsel anzuzeigen. Tut man dies nicht, so macht man sich möglich schadenersatzpflichtig, wenn der Vertragspartner wegen und in Unkenntnis der Namensänderung ein Dokument nicht rechtzeitig zustellen konnte, nicht Vollstrecken konnte usw. Hier muss man dann für den Schaden aufkommen, der dadurch entstanden ist, dass der Vertragspartner über die Namensänderung im Unklaren blieb. Das gleiche gilt für dingliche Rechte (wie z.B. Hypothek und Grundschuld), Versicherungen
, Behörden
, Kfz-Brief/Zulassung,
Verträge (Miete, Darlehen)
, Banken (Konto),
Amtliche Eintragungen (Grundbuch),
Mitgliedschaften,
Strafvollzug,
Krankenhaus


Besteht Verpflichtung zur Änderung?

    usw.


Generell lässt sich sagen, dass es sich empfiehlt überall dort wo Rechte Dritter betroffen sind eine Anzeige zu machen, um möglicherweise entstehenden Schadensersatzansprüchen aus dem Weg zu gehen, sie zu vermeiden. Dort wo der Name bedeutend ist oder wo man sich wegen falschen Namensgebrauches strafbar machen würde, muss der neue Name angezeigt werden.



Rechtsfolgen der Unterlassung



TSG § 6 Aufhebung auf Antrag


(1) Die Entscheidung, durch welche die Vornamen des Antragstellers geändert worden sind, ist auf seinen Antrag vom Gericht aufzuheben, wenn er sich wieder dem in seinem Geburtseintrag angegebenen Geschlecht als zugehörig empfindet.


(2) Die §§ 2 bis 4 gelten entsprechend. In der Entscheidung ist auch anzugeben, dass der Antragsteller künftig wieder die Vornamen führt, die er zur Zeit der Entscheidung, durch welche seine Vornamen geändert worden sind, geführt hat. Das Gericht kann auf Antrag des Antragstellers diese Vornamen ändern, wenn dies aus schwerwiegenden Gründen zum Wohl des Antragstellers erforderlich ist.


Diese Vorschrift regelt sozusagen die freiwillige Rückgabe des „neuen“ Namens. Sie ermöglicht es dem Antragsteller eine Rückkehr in seinen alten Namen, wenn er sich seinem Geburtsgeschlecht wieder zugehörig fühlen sollte. Dies macht insoweit Sinn, da man bein Entstehung des TSG die „kleine Lösung“, also die Vornamensänderung, wohl als Vorstufe zur Personenstandsänderung sah. Auf das Verfahren sind dann die §§ 2 bis 4 entsprechend anzuwenden.

Teilweise verweigern Richter eine Vorabentscheidung nach § 9 TSG mit der Begründung, dass, weil das TSG ausdrücklich eine Rückkehr normiere, nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich das Zugehörigkeitsempfinden zum neuen Geschlecht nicht wieder ändern könne. Insbesondere dann, wenn eine längere Zeitspanne zwischen gerichtlicher Entscheidung und Operation liege. Solch eine Auffassung ist natürlich mehr als bedenklich. Natürlich kann im Leben nichts mit 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Das Gesetz spricht auch nur von hoher Wahrscheinlichkeit. Und das Gesetz sieht in § 9 ja gerade eine solche Verbindung vor. Zudem ist § 9 TSG nur dann anzuwenden, wenn bis auf die geschlechtsangleichende Operation alle Voraussetzungen zur Personenstandsänderung vorliegen und das Gericht nur deshalb dem Antrag nicht stattgeben kann. Warum dann zum Beispiel das AG Köln31 fordert, dass für die Personenstandsänderung die Zugehörigkeit zum anderen Geschlecht noch einmal begutachtet werden soll (und den Antrag nach § 9 TSG ablehnt), lässt nur den Schluss zu, dass ein Blick ins Gesetz die Rechtsfindung erleichtern könnte. Solche Entscheidungen sagen natürlich auf der anderen Seite viel über die Kompetenz der mit der Materie befassten Richter aus.



TSG § 7 Unwirksamkeit


(1) Die Entscheidung, durch welche die Vornamen des Antragstellers geändert worden sind, wird unwirksam, wenn


1. nach Ablauf von dreihundert Tagen nach der Rechtskraft der Entscheidung

ein Kind des Antragstellers geboren wird, mit dem Tag der Geburt des Kindes, oder


2. bei einem nach Ablauf von dreihundert Tagen nach der Rechtskraft der

Entscheidung geborenen Kind die Abstammung von dem Antragsteller anerkannt oder gerichtlich festgestellt wird, mit dem Tag, an dem die Anerkennung wirksam oder die Feststellung rechtskräftig wird, oder


3. der Antragsteller eine Ehe schließt, mit der Abgabe der Erklärung nach §

1310 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.


(2) Der Antragsteller führt künftig wieder die Vornamen, die er zurzeit der

Entscheidung, durch die seine Vornamen geändert worden sind, geführt hat. Diese Vornamen sind

1. im Fall des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 in das Geburtenbuch,

2. im Fall des Absatzes 1 Nr. 3 in das im Anschluss an die Eheschließung

anzulegende Familienbuch einzutragen.


(3) In Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 kann das Gericht die Vornamen des Antragstellers auf dessen Antrag wieder in die Vornamen ändern, die er bis zum Unwirksamwerden der Entscheidung geführt hat, wenn festgestellt ist, dass das Kind nicht von dem Antragsteller abstammt, oder aus sonstigen schwerwiegenden Gründen anzunehmen ist, dass der Antragsteller sich weiter dem nicht seinem Geburtseintrag entsprechenden Geschlecht als zugehörig empfindet. Die §§ 2, 3, 4 Abs. 1, 2 und 4 sowie § 5 Abs. 1 gelten entsprechend.




§ 7 TSG regelt den Rückfall des neuen Namens Kraft Gesetzes, also durchaus auch gegen den Willen des Betroffenen. Diese Regelung ist nicht unumstritten. Hier ging der Gesetzgeber wohl von heute überholten Ansichten über Transsexualität aus. Das BVerfG entschied in einem Beschluss vom 06.12.2005 jedenfalls, dass § 7 I Nr. 3 nicht mit dem GG vereinbar ist.

Der Beschluss des BVerfG vom 06.12.2005


Der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat am 06.12.2005 beschlossen, dass § 7 Abs. 1 Nr. 3 des Transsexuellengesetzes (TSG) das von Art. 2 Abs.1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützte Namensrecht verletzt. § 7 Abs.1 Nr. 3 TSG wurde im Wege der Anordnung nach § 35 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) für nicht anwendbar erklärt (bis zur gesetzlichen Neuregelung).

Nach Art. 1 Abs. 3 GG sind alle drei Staatsgewalten (Exekutive, Legislative, Judikative) an die Grundrechte gebunden. Gesetze sind dann verfassungswidrig, wenn sie z.B. den materiellen Vorgaben des GG widersprechen, also mit der Verfassung nicht übereinstimmen. An dieser Stelle spielen die Grundrechte eine Rolle. Verstößt ein Gesetz gegen diese, ist es verfassungswidrig und damit unwirksam.

Ein direkter Primärschutz gegen Gesetze besteht aber nicht ohne weiteres. Man kann als Bürger also in der Regel nicht unmittelbar gegen ein verfassungswidriges Gesetz klagen. Man muss zumindest (unmittelbar) betroffen sein und (wenn möglich) den Rechtsweg ausgeschöpft haben. Man kann also – grob gesagt – nur dann direkt gegen ein Gesetz32 vorgehen, wenn der Gesetzgeber konkrete Maßnahmen in Bereichen Organisation, Lenkung, Planung trifft, zum Beispiel im Bereich der Privatwirtschaft33.


Indirekter Rechtsschutz ist dadurch möglich, dass der Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens ein Einzelakt ist, der auf einem Gesetz beruht. Wenn nun das angerufene Gericht dieses Gesetzt für möglicherweise verfassungswidrig hält, dann setzt es das Verfahren aus und legt es dem BVerfG zur Prüfung vor. Das BVerfG kann dann zwar die Ungültigkeit des Gesetzes feststellen, den Gesetzgeber allerdings nicht zu einem positiven Tun verurteilen.

Im vorliegenden Fall heiratete die Antragstellerin, eine Mann-zu-Frau Transsexuelle, ihre Lebenspartnerin. Ihren Vornamen hatte sie bereits geändert, die geschlechtsangleichende Operation nicht durchführen lassen (kleine Lösung). Der Standesbeamte vermerkte gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 TSG im Geburtenbuch, dass die Antragstellerin wieder ihren männlichen Vornamen führe.

Daraufhin beantragte die Antragstellerin die Wiederherstellung der Vornamensänderung, was in allen Instanzen erfolglos blieb. Ihre Klage auf Berichtigung des Geburtenbuchs wurde vom Amtsgericht zurückgewiesen. Auf ihre sofortige Beschwerde hin setzte das Landgericht das Verfahren aus und legte dem BVerfG zur Entscheidung vor, ob § 7 Abs. 1 Nr. 3 TSG mit dem Grundgesetz vereinbar sei.

Im vorliegenden Fall wurde überprüft, ob § 7 Abs. 1 Nr. 3 TSG das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt. Dessen Aufgabe ist es, die engere persönliche Lebensführung und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen zu gewährleisten. Es beinhaltet das Recht des einzelnen, im weitesten Sinne in Ruhe gelassen zu werden und ist darauf gerichtet, die Privat- und Intimsphäre zu schützen. Es ergänzt als sog. unbenanntes Freiheitsrecht die speziellen Freiheitsrechte in ihrer Grundfunktion zum Schutz der Menschenwürde. Hieraus folgt eine kombinierte Anwendung der Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde) und Art. 2 Abs. 1 GG und deswegen ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch in seinem absoluten Kern geschützt (wegen des unabänderlichen Art. 1 Abs. 1 GG).

Hier wurde der Antragstellerin versagt den von ihr gewählten Namen weiterzuführen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG verlangt Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG grundsätzlich, dass die Rechtsordnung den gewählten Vornamen respektiert. Nur so könne dieser seine Identität stiftende und ausdrückende Funktion entfalten34.

Das Namensrecht, welches die hiermit zusammen hängenden Fragen regelt, muss jedoch auch seiner gesellschaftlichen Funktion gerecht zu werden. Insoweit bedarf es der rechtlichen Ausgestaltung und Abwägung konkurrierender Interessen. Es war zu berücksichtigen, dass im Falle der Namensänderung nach dem TSG, Grundsätze des deutschen Namensrechts (Namenskontinuität und Erkennbarkeit der Geschlechtszugehörigkeit) zurückgestellt werden.  

In unserer Rechtsordnung kommt dem Vornamen (auch) die Funktion zu, das Geschlecht des Namensträgers zum Ausdruck zu bringen. Man musste sich deshalb mit der Frage auseinandersetzen, wie Geschlecht bestimmt werden kann, und ob der Schutz des (neuen) Namens einer transsexuellen Person uneingeschränkt gilt. Lehrreich, allerdings auch erschreckend (!) oft an der Realität vorbei und rechtsfern argumentierend, die Stellungnahme der Bundesregierung zum Vorlageverfahren.

Nach der zutreffenden Auffassung des BVerfG kann sich die Geschlechtszugehörigkeit nicht allein nach physischen Merkmalen richten. Sie hängt ganz entscheidend auch von der nachhaltig selbst empfundenen Geschlechtlichkeit ab.

Das TSG ermöglicht es, Identität zwischen empfundener Geschlechtszugehörigkeit und dem geführten Vornamen herzustellen. Die sich im Vornamen widerspiegelnde Geschlechtszugehörigkeit wird von der Rechtsprechung des BVerfG zum intimsten Bereich der Persönlichkeit eines Menschen gezählt. Deshalb darf nur bei Vorliegen von besonders gewichtigen öffentlichen Belangen in diesen geschützten Bereich eingegriffen werden35.

Ein solcher Eingriff ist in § 7 Abs. 1 Nr. 3 TSG zu sehen, der dem Betroffenen den gewählten Vornamen im Falle der Eheschließung wieder entzieht. Es stellt sich also die Frage nach der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung eines solchen Grundrechtseingriffs.

§ 7 Abs. 1 Nr. 3 TSG regelt, dass im Falle der Eheschließung die Vornamensänderung Kraft Gesetzes unwirksam wird. Die Wiederherstellung der Vornamensänderung ist – im Gegensatz zu den Fällen der Geburt eines Kindes – nicht vorgesehen! Das führt zu dem Ergebnis, dass transidente Menschen, die bereits verheiratet sind die kleine Lösung wählen und trotzdem ihren (neuen) Vornamen behalten können. Heiraten Transidente aber nach der Namensänderung, so wird diese unwirksam. Hier kann man zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Regelung argumentieren, im dem einen Fall gehe es um das Eingehen der Ehe. Das andere Mal um den Schutz einer bestehenden Ehe, sodass der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht betroffen ist. Verschiedene Sachverhalte können demnach auch unterschiedlich geregelt werden. Ob dem so ist, kann allerdings dahin stehen, da § 7 Abs. 1 Nr. 3 TSG aus anderen Gründen nicht verfassungskonform ist.

Zunächst stellte das BVerfG fest, dass die These, Transsexuelle befänden sich mit der „kleinen Lösung“ im Durchgangsstadium zur „großen Lösung“ wissenschaftlich nicht haltbar ist (siehe auch die Pressemitteilung des BVerfG zur Entscheidung). In der Entscheidung zum Eingehen der Ehe kann des Weiteren auch kein stillschweigender freiwilliger Verzicht auf den bisher geführten Vornamen gesehen werden, sodass § 7 Abs. 1 Nr. 3 TSG mit dieser recht fragwürdigen Überlegung nicht zu retten war.

Da die Antragstellerin personenstandsrechtlich als Mann geführt wird, kann sie, wenn sie ihre Partnerschaft mit einer Frau rechtlich absichern will, nur eine Ehe schließen. Trotz der Vornamensänderung werden Transsexuelle personenstandsrechtlich nämlich als ihrem biologischen Geschlecht zugehörig betrachtet ("kleine Lösung"). Erst mit einem geschlechtsangleichenden operativen Eingriff kann die (personenstands-)rechtliche Zuordnung zum anderen Geschlecht erfolgen ("große Lösung).

Nun stellte sich folgendes Problem: Wenn eine Mann-zu-Frau Transsexuelle eine Frau heiratet, so kann der Anschein erweckt werden, die Ehe stehe gleichgeschlechtlichen Paaren offen. Um die Ehe von anderen Rechtsinstituten (z.B. eingetragene Lebenspartnerschaft) abzugrenzen ist es legitim, wenn der Gesetzgeber Regelungen trifft, um bereits den bloßen Anschein zu vermeiden, die Ehe stehe auch für gleichgeschlechtliche Partner offen.  

Die Regelung des § 7 Abs. 1 Nr. 3 TSG ist also dann eine grundrechtskonforme Einschränkung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, wenn sie durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt ist, welches gerade diesen Eingriff erforderlich macht. Bezogen auf das Anliegen des Gesetzgebers muss die Regelung geeignet, erforderlich, angemessen und zumutbar sein.

Nach der Auffassung des BVerfG ist § 7 Abs. 1 Nr. 3 TSG zwar ein geeignetes, mildes und erforderliches Mittel, die Ehe vor diesem falschen Anschein zu schützen. Die Regelung sei aber für die Betroffenen aber nicht zumutbar und somit verfassungswidrig.

Da der Gesetzgeber selbst den Stellenwert seines Vorhabens bestimmt (Demokratieprinzip), ist bei Beurteilung der Zumutbarkeit allein darauf abzustellen, ob die Wertigkeit des öffentlichen Anliegens (hier der Schutz des Instituts „Ehe“) nicht außer Verhältnis zur Intensität des Eingriffs steht. Hierfür kommt es auf die Bedeutung des Grundrechts an, die Eingriffsintensität und die Frage, ob das Grundrecht in seinen wesentlichen Aussagen oder lediglich in einem Randbereich betroffen ist. Der Schutzbereich ist so auszulegen, dass er mit den elementaren Grundsätzen des GG, insbesondere den Grundrechten andere und der grundsätzlich geschützten Werteordnung vereinbar ist (praktische Konkordanz). Hinsichtlich der Zwecksetzungskompetenz der Gesetzgebung bestehen keine allzu hohen Anforderungen, jede vernünftige Gemeinwohlerwägung kann die Einschränkung legitimieren.

Es war also zu beurteilen, ob homosexuelle Transsexuelle in unzumutbarer Weise gezwungen werden, auf einen Vornamen zu verzichten, der ihre empfundene Geschlechtszugehörigkeit zum Ausdruck bringt, wenn sie eine rechtlich abgesicherte Partnerschaft eingehen wollen.

Homosexuellen Transsexuellen ohne Geschlechtsumwandlung steht, da sich durch die bloße Vornamensänderung ihr Personenstand nicht ändert, zur rechtlichen Absicherung ihrer Partnerschaft keine andere Möglichkeit als die Ehe offen. Dadurch verlieren sie jedoch gem. § 7 Absatz 1 Nr. 3 TSG ihren geänderten Vornamen. Die Eingehung einer Lebenspartnerschaft ist nicht möglich, da sie den Vertragsschluss zweier gleichgeschlechtlicher Personen voraussetzt. Die Ehe (Verbindung Mann-Frau), sowie das Institut der Lebenspartnerschaft (§1 LPartnerG „gleichgeschlechtlich“) nehmen für die Begrenzung derjenigen, die sich rechtlich miteinander verbinden können, Bezug auf das Geschlecht der Partner. Die sexuelle Orientierung ist unerheblich, entscheidend ist die personenstandsrechtliche Zugehörigkeit

Diese allein am Geschlecht ausgerichtete Betrachtungsweise führt zu verfassungswidrigen Ergebnissen. Bei der rechtlichen Bestimmung der Geschlechtszugehörigkeit wird nämlich allein auf das durch die Geschlechtsmerkmale bestimmte Geschlecht abgestellt. Ebenso entscheidend ist es nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen, das empfundene Geschlecht mit einzubeziehen. Im Falle der hier vorliegenden Diskrepanz zwischen der personenstandsrechtlichen Geschlechtszugehörigkeit und dem empfundenen Geschlecht bewirkt die in Frage stehende gesetzliche Regelung, dass der Betroffene eine rechtsverbindliche Partnerschaft nur bei Verlust seiner durch den Vornamen  ausgedrückten Identität eingehen kann. Hierin liegt eine Verletzung des von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Recht auf Wahrung der Intimsphäre und Geschlechtsidentität.

Der Gesetzgeber hat nun dafür zu sorgen, dass den homosexuell orientierten Transsexuellen ohne geschlechtsangleichende Operation die Möglichkeit eröffnet wird, eine rechtsverbindliche Partnerschaft einzugehen.

Er kann § 7 Abs. 1 Nr. 3 ersatzlos streichen. Diese Variante ist wohl die wahrscheinlichste.

Er kann das Personenstandsrecht dahin gehend ändern, dass ein nach TSG anerkannter Transsexueller ohne Geschlechtsumwandlung rechtlich dem von ihm empfundenen  Geschlecht zugeordnet wird. Das wäre sehr modern und geradezu revolutionär. Obwohl sie die beste, klarste und umfassende Lösungsmöglichkeit wäre, ist meines Erachtens nach, die unwahrscheinlichste von allen. Sehr interessant ist es hierzu die Stellungsnahme der Bundesregierung zu lesen, die das Bundesministerium des Inneren zu dem Vorlageverfahren namens der Bundesregierung abgab.

Schließlich kann der Gesetzgeber das LPartnerG entsprechend ändern.





Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit


TSG § 8 Voraussetzungen


(1) Auf Antrag einer Person, die sich auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und die seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben, ist vom Gericht festzustellen, dass sie als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, wenn sie

1. die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 erfüllt,

2. nicht verheiratet ist,

3. dauernd fortpflanzungsunfähig ist und

4. sich einem ihre äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen

Eingriff unterzogen hat, durch den eine deutliche Annäherung an das

Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht worden ist.


(2) In dem Antrag sind die Vornamen anzugeben, die der Antragsteller künftig führen will; dies ist nicht erforderlich, wenn seine Vornamen bereits auf Grund von § 1 geändert worden sind.



I. Zunächst müssen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 erfüllt sein, dazu sei auf das zu § 1 TSG dargestellte verwiesen. Ist der Vorname bereits aufgrund § 1 TSG geändert worden, so brauch entfällt § 8 II 1.


II. Scheidung und Personenstandsänderung


1. Der nichttranssexuelle Ehepartner kann die Aufhebung der Ehe beantragen, wenn er bezüglich der Transsexualität des Ehepartners nichts wusste oder deren Tragweite falsch einschätzte, sich also im Irrtum befand. Innerhalb eines Jahres ab Kenntnis des wahren Sachverhaltes muss dann die Aufhebung der Ehe vom „irrenden“ Ehepartner beantragt werden und bietet aber den Vorteil, dass man kein Trennungsjahr abwarten muss.



2. Viele Transsexuelle, die verheiratet sind, möchten dies auch trotz geschlechtsanpassender Operation bleiben. Ganz wichtig erscheint mir hier, dass sie es ausdrücklich nicht wünschen, die Ehe in eine eingetragene Lebenspartnerschaft zu „überführen“. Sie wollen – aus welchen Gründen auch immer – in erster Linie im Rechtsinstitut der Ehe verbleiben. Insoweit sind Reformvorschläge, die Ehe ohne Scheidung in eine eingetragene Lebenspartnerschaft umzuwandeln sicher gut gemeint, entsprechen jedoch nicht unbedingt den eigentlichen Wünschen der Betroffenen. Das mag damit zusammen hängen, dass sich – für die Betroffenen jedenfalls – beide Institute noch zu sehr unterscheiden. Wie ich im Folgenden zeigen werde wäre es jedoch eine sehr pragmatische Lösung, denn die Vorstellungen der meisten Betroffenen sind zurzeit rechtlich kaum umsetzbar.


3. Viele empfinden es als ungerecht, dass das TSG für die Personenstandsänderung zwingend eine Scheidung voraussetzt. Könnte oder müsste der Gesetzgeber sogar das TSG dahingehend ändern, dass in diesem Fall eine gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt wäre?


a) Das BVerfG ist der Ansicht, dass der Gesetzgeber bei Ausformung der Ehe wesentliche Strukturprinzipien beachten muss. Diese ergeben sich aus Art. 6 GG und anderen Verfassungsnormen. Ungeachtet des gesellschaftlichen Wandels und der sich daraus ergebenden Änderungen hinsichtlich der Ausgestaltung der Ehe wird sie als Vereinigung eines Mannes und einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft definiert, ausgehend von den personenstandsrechtlichen Zuordnungen der Geschlechter36.


Nach Auffassung des BVerfG ist es nicht möglich, dass zwei "personenstandsrechtliche" Frauen oder Männer miteinander verheiratet sind. So argumentiert es in ständiger Rechtsprechung37, und ich sehe in überschaubarer Zeit keine Chancen, dass sich hier etwas verändern könnte.


Um gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht zu diskriminieren wurde das Institut der Lebenspartnerschaften38 geschaffen. Dieses ist der Ehe in weiten Bereichen nachgebildet, allerdings nicht zu 100% deckungsgleich. Nach dem BVerfG ist es gerade die Gleichgeschlechtlichkeit, welche die Ehe von der eingetragenen Lebenspartnerschaft unterscheidet39. Zwar steht die Ehe unter dem besonderen Schutz des GG, was nicht bedeutet, dass sie aber in höherem Maße zu schützen sei als andere Lebensformen40.


Wenn man als transidenter Mensch die personenstandsrechtliche Änderung anstrebt, so hat man nur die Alternative, entweder alles bleibt so, wie es ist oder Scheidung, dann Personenstandsänderung und schließlich Wahl der Lebenspartnerschaft. Hier ist der Gesetzgeber aufgefordert tätig zu werden und möglichst beide Institute einander anzugleichen. Wenn es rechtlich keinen Unterschied mehr macht, ob man eine eingetragene Lebenspartnerschaft oder Ehe führt, so würde vielleicht die Skepsis gegen eine Umwandlung der Ehe in die eingetragene Lebenspartnerschaft schwinden.


Das Erfordernis der Scheidung mag in Einzelfällen zu unbilligen Ergebnissen führen, gesetzestechnisch ist es leider unschlagbar logisch. Schwule oder lesbische Paare können in unserer Rechtsordnung keine Ehe schließen41. Sie müssen das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft wählen. Nach § 10 TSG richten sich die Rechte und Pflichten ab Rechtskraft der Entscheidung nach dem neuen Geschlecht. Und zwar ex tunc, also der Transidente wird so behandelt, als ob er schon immer in dem neuen Geschlecht gelebt hätte. Würde man im Falle der Transsexuellen eine (dann gleichgeschlechtliche) Ehe zulassen, so würde man nicht Lesben und Schwule diskriminieren?


Natürlich gibt es auch hier Ansatzpunkte, eine mögliche Verfassungswidrigkeit anzunehmen. Denn, eine Ehe besteht ja schon, welche den Schutz des Art 6 GG genießt. Der Gesetzgeber zwingt dann die betroffenen Personen für die Personenstandsänderung zur Scheidung. Diesen Aspekt könnte man sicher vortragen, dennoch halte ich einen entsprechenden Antrag aus oben dargestellten Gründen für wenig Erfolg versprechend, da nach Argumentation des BVerfG sachlich gerechtfertigt42.


b) Interessant ist auch der umgekehrte Fall, was passiert mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft, wenn die Personenstandsänderung rechtskräftig ist. Im Gegensatz zu Ehe gibt es hier keine ausdrückliche Regelung.


Nach einer Ansicht soll eine bereits bestehende Lebenspartnerschaft analog zur Regelung des § 8 I Nr. 2 TSG ein Hindernis für die Personenstandsänderung sein43, da es an der Grundvoraussetzung einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft fehle.


Nach der herrschenden Meinung steht eine eingetragene Lebenspartnerschaft § 8 I TSG nicht im Wege44. Die Gesetzeslücke sei vielmehr bewusst in Kauf genommen worden. Man habe die Angleichung im Hinblick auf die geplante aber bislang noch nicht erfolgte Reform des TSG unterlassen. Da es so an einer planwidrigen Gesetzeslücke fehlt, ist eine analoge Anwendung nicht möglich45.


Das bedeutet, dass die Existenz einer eingetragenen Lebenspartnerschaft einer personenstandsrechtlichen Neuzuordnung nach § 8 TSG nicht entgegen steht und es so entgegen dem Wortlaut des § 1 I LPartG eine eingetragene Lebenspartnerschaft zwischen Personen rechtlich verschiedener Geschlechtszugehörigkeit kommen kann.


Eine Auflösung der Lebenspartnerschaft über die bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten46 hinaus ist wegen Art 2 I iVm Art 1 I GG ohne gesetzliche Regelung nicht möglich (Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes)47. Das TSG umreißt den verfassungsrechtlichen Rahmen für die Grundrechtsentfaltung transsexueller Personen. Eine nachträgliche Einschränkung durch analoge Anwendung des § 8 I Nr.2 TSG stellt einen Grundrechtseingriff dar, der aufgrund seiner Bedeutung/Schwere gesetzlich geregelt werden muss.


Auch steht Art. 6 GG (Ehe) dem nicht entgegen, denn das Eingehen der Ehe wird in keiner Weise eingeschränkt, da der Raum für die Eheschließung erst nachträglich eröffnet wird.


Eine Änderung der Geschlechtszugehörigkeit hat demnach keine Beendigung der Lebenspartnerschaft zur Folge. Nach Rechtskraft des Gerichtsbeschlusses können die Lebenspartner dann miteinander eine Ehe eingehen. Da das LPartG kein ausdrückliches Ehehindernis normiert, steht die eingetragene Lebenspartnerschaft auch nicht der Ehe entgegen.


III. Dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit




TSG § 9 Gerichtliches Verfahren


(1) Kann dem Antrag nur deshalb nicht stattgegeben werden, weil der Antragsteller sich einem seine äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff noch nicht unterzogen hat, noch nicht dauernd fortpflanzungsunfähig ist oder noch verheiratet ist, so stellt das Gericht dies vorab fest. Gegen die Entscheidung steht den Beteiligten die sofortige Beschwerde zu.


(2) Ist die Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 unanfechtbar und sind die dort

genannten Hinderungsgründe inzwischen entfallen, so trifft das Gericht die

Entscheidung nach § 8. Dabei ist es an seine Feststellungen in der Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 gebunden.


(3) Die §§ 2 bis 4 und 6 gelten entsprechend; die Gutachten sind auch darauf zu erstrecken, ob die Voraussetzungen nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 vorliegen. In der Entscheidung auf Grund von § 8 und in der Endentscheidung nach Absatz 2 sind auch die Vornamen des Antragstellers zu ändern, es sei denn, daß diese bereits auf Grund von § 1 geändert worden sind.


Hier kann noch was geschrieben werden48


TSG § 10 Wirkungen der Entscheidung


(1) Von der Rechtskraft der Entscheidung an, daß der Antragsteller als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, richten sich seine vom Geschlecht abhängigen Rechte und Pflichten nach dem neuen Geschlecht, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.


(2) § 5 gilt sinngemäß.


TSG § 11 Eltern-Kind-Verhältnis


Die Entscheidung, daß der Antragsteller als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, läßt das Rechtsverhältnis zwischen dem Antragsteller und seinen Eltern sowie zwischen dem Antragsteller und seinen Kindern unberührt, bei angenommenen Kindern jedoch nur, soweit diese vor Rechtskraft der Entscheidung als Kind angenommen

worden sind. Gleiches gilt im Verhältnis zu den Abkömmlingen dieser Kinder.


TSG § 12 Renten und vergleichbare wiederkehrende Leistungen


(1) Die Entscheidung, daß der Antragsteller als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, läßt seine bei Rechtskraft der Entscheidung bestehenden Ansprüche auf Renten und vergleichbare wiederkehrende Leistungen unberührt. Bei einer sich unmittelbar anschließenden Leistung aus demselben Rechtsverhältnis ist, soweit es hierbei auf das Geschlecht ankommt, weiter von den Bewertungen auszugehen, die den Leistungen bei Rechtskraft der Entscheidung zugrunde gelegen haben.


(2) Ansprüche auf Leistung aus der Versicherung oder Versorgung eines früheren Ehegatten werden durch die Entscheidung, daß der Antragsteller als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, nicht begründet.

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1) vgl. AG Hamburg StAZ 1984, 42; Palandt/Heldrich Rn. 6; Staudinger/v. Bar/Mankowski Art. 13 Rn. 185; Erman/Hohloch Rn. 22; MünchKommBGB/Birk Rn. 16

2) Vgl. Bamberger/Roth EGBGB Art. 10 Rn1; Begr. RegE, BT-Drucks. 10/504 S. 46 f. Kritisch zu dieser Begründung Soergel/Schurig Rn. 4

3) vgl. AG Hamburg StAZ 1984, 42

4) Bamberger/Roth Art 7 EGBGB

5) v. Bar IPR II Rn. 10; vgl. BT-Drucks. 8/2947 S. 13

6) die deutsche Staatsangehörigkeit bestimmt sich nach dem StAG, vormals RuStAG, Erwerbstatbestände sind Geburt, Anerkennung/Feststellung Vaterschaft, Adoption, Einbürgerung

7) Bamberger/Roth EGBGB § 5 I 1

8) Bezüglich des Personalstatuts von Flüchtlingen und Vertriebenen bestehen zahlreiche staatsvertragliche und autonome Sonderregelungen. Sie zielen sämtlich darauf ab, die bei diesen Personen als unangemessen empfundene oder nicht mögliche Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit durch eine wohnsitz- bzw. aufenthaltsbezogene Anknüpfung zu ersetzen, vgl. Bamberger/Roth EGBGB Art 5 Rn 20.

9) Bamberger/Roth EGBGB Art. 7 Rn 55

10) Bamberger/Roth EGBGB Art. 7 Rn 55

11) hier als Eltern oder Elternteil verstanden, zur Namensverbundenheit in der Familie vgl. BVerfGE 78, 38; BVerfGE NJW 1991, 1602 (1603)

12) Bamberger/Roth EGBGB Art. 10 Rn 3, Staudinger/Hepting Art. 10 EGBGB Rn 17 f.

13) BVerfG NJW 2002, 1256 (1257)

14) vgl. BVerwG StAZ 2003, 140, 241

15) Pintens, Colloquia für Dieter Schwab zum 65. Geburtstag, 2000, S. 38

16) BVerfGE 104, 385 und NJW 2002 1256 f.

17) § 3 I NÄG

18) § 11 NÄG

19) § 1 NÄG

20) BVerwG NJW-RR 1989, 643.

21) BVerwG NJW-RR 1989, 771; das BVerfG sieht in dieser Wertung keinen Verstoß gegen die Verfassung (Nichtannahmebeschluss vom 10. 10. 1989 - 1 BvR 358/89)

22) Hepting/Gaaz PStG § 21 Rn. 101 ff. Noch großzügiger OLG Frankfurt a.M. StAZ 2000, 238, 239: Selbst bei deutschen Namensstatut kann eine geschlechtsneutrale Vornamenswahl zulässig sein, wenn das Kind und die Namensgeber auch Angehörige eines ausländischen Staates sind, der einen vergleichbaren Grundsatz nicht kennt.

23) vgl. z.B. § 111 OWiG, § 1 Abs. 2 Nr. 1 PersauswG, §§ 1, 4 Abs. 1 Nr. 1 PassG, §§ 11, 21 PStG, §§ 17, 29 HGB, § 79 AktG, §§ 15 a und b GewO

24) Hepting/Gaaz PStG § 21 Rn. 110 ff

25) Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen kommt dann das OLG Frankfurt (20 W 411/ 93) zu dem Jungen Namens Nicola Andrea

26) vgl. Hepting/Gaaz PStG § 21 Rn. 295

27) LG Bremen StAZ 1996, 46

28) Beschluss des Ersten Senates vom 6. Dezember 2005, 1 BvL 3/03

29) KG NJW 65, 1084

30) vgl. hierzu Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung <ZfS> 2001, S. 258 ff


32) sogar gegen Rechtsverordnungen & Satzungen soweit sie nicht von 3 47 VwGO erfasst werden

33) Vgl. BVerfGE 26, 246 (251) gegen das Ingenieuergesetz, das Absolventen bestimmter Ausbildungsgänge die Bezeichnung "Ingenieur" verbietet, BVerfGE 38, 1 (8) Änderung von Amtsbezeichnungen, BVerfGE 1, 264 (270) Verbot einen Beruf ohne Zulassung auszuüben, BVerfGE 52, 303 (327) Einschränkung für Krankenhäuser Privatrechnungen auszustellen, BVerfGE 70, 35 (52) Bebauungsplan, BVerfGE 79, 174 (187), BVerfGE 131, 225 "Bahnhofsapoteke" usw.

Zu der Problematik übrigens sehr gut Hövel, Zulässigkeit und Zulassungsprobleme der Verfassungsbeschwerde gegen Gesetze.

34) vgl. BVerfGE 104, 373, 385 und BVerfGE 109, 256, 266, 267

35) BVerfGE 49, 286, 298

36) vgl. dazu BVerfGE 10, 59 ff; 29, 166 ff; 31,58 ff; 105, 313 ff

37) so zuletzt im Beschluss des Ersten Senates vom 6. Dezember 2005, 1 BvL 3/03

38) vgl. hierzu Wellenhofer, Das neue Recht für eingetragene Lebenspartnerschaften in NJW 2005, 705 und Wellenhofer/Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft (2003)

39) BVerfG NJW 2002, 2543 (2548)

40) BVerfG NJW 2002, 2543 (2548 f.)

41) der sachliche Grund für das Eheverbot liegt nach dem BVerfG in der Gestalt und dem Wesen der Ehe, vgl. dazu von Münch GG-Kommentar (5.Auflage) Art 6 Rn 9

42) das AG Berlin Schöneberg hat in einem solchen Fall dem BVerfG vorgelegt

43) Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, 2003 Rn 45

44) vgl. Muscheler, Das Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaft 2. Auflage (2004), Rn 120; HK L-PartG/Augstein, 2001 Einzeldarstellung 2 o  Transsexuelle Rn 2 ff (10)

45) vgl. Krüger, Rpfleger 2004, 138 (147)

46) § 15 LPartG oder § 119 II BGB, dazu auch Dethloff  NJW 2001, 2598 (2600)

47) dazu BVerfG NJW 1996, 3146, NJW 1997, 2230

48) vgl. dazu Maria Sabine Augstein in StAZ 1981, 10 (14)

 

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