Scheidung und Personenstandsänderung
Scheidung und Personenstandsänderung
Viele Transsexuelle, die verheiratet sind, möchten dies auch trotz geschlechtsanpassender Operation bleiben. Ganz wichtig erscheint mir hier, dass sie es ausdrücklich nicht wünschen, die Ehe in eine eingetragene Lebenspartnerschaft zu „überführen“. Sie wollen – aus welchen Gründen auch immer – in erster Linie im Rechtsinstitut der Ehe verbleiben. Insoweit sind Reformvorschläge, die Ehe ohne Scheidung in eine eingetragene Lebenspartnerschaft umzuwandeln sicher gut gemeint, entsprechen jedoch nicht unbedingt den eigentlichen Wünschen der Betroffenen. Das mag damit zusammen hängen, dass sich – für die Betroffenen jedenfalls – beide Institute noch zu sehr unterscheiden. Wie ich im Folgenden zeigen werde wäre es jedoch eine sehr pragmatische Lösung, denn die Vorstellungen der meisten Betroffenen sind zurzeit rechtlich kaum umsetzbar.
Viele empfinden es als ungerecht, dass das TSG für die Personenstandsänderung zwingend eine Scheidung voraussetzt. Könnte oder müsste der Gesetzgeber sogar das TSG dahingehend ändern, dass in diesem Fall eine gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt wäre?
Das BVerfG ist der Ansicht, dass der Gesetzgeber bei Ausformung der Ehe wesentliche Strukturprinzipien beachten muss. Diese ergeben sich aus Art. 6 GG und anderen Verfassungsnormen. Ungeachtet des gesellschaftlichen Wandels und der sich daraus ergebenden Änderungen hinsichtlich der Ausgestaltung der Ehe wird sie als Vereinigung eines Mannes und einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft definiert, ausgehend von den personenstandsrechtlichen Zuordnungen der Geschlechter.
Nach Auffassung des BVerfG ist es nicht möglich, dass zwei "personenstandsrechtliche" Frauen oder Männer miteinander verheiratet sind. So argumentiert es in ständiger Rechtsprechung, und ich sehe in überschaubarer Zeit keine Chancen, dass sich hier etwas verändern könnte.
Um gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht zu diskriminieren wurde das Institut der Lebenspartnerschaften geschaffen. Dieses ist der Ehe in weiten Bereichen nachgebildet, allerdings nicht zu 100% deckungsgleich. Nach dem BVerfG ist es gerade die Gleichgeschlechtlichkeit, welche die Ehe von der eingetragenen Lebenspartnerschaft unterscheidet. Zwar steht die Ehe unter dem besonderen Schutz des GG, was nicht bedeutet, dass sie aber in höherem Maße zu schützen sei als andere Lebensformen.
Wenn man als transidenter Mensch die personenstandsrechtliche Änderung anstrebt, so hat man nur die Alternative, entweder alles bleibt so, wie es ist oder Scheidung, dann Personenstandsänderung und schließlich Wahl der Lebenspartnerschaft. Hier ist der Gesetzgeber aufgefordert tätig zu werden und möglichst beide Institute einander anzugleichen. Wenn es rechtlich keinen Unterschied mehr macht, ob man eine eingetragene Lebenspartnerschaft oder Ehe führt, so würde vielleicht die Skepsis gegen eine Umwandlung der Ehe in die eingetragene Lebenspartnerschaft schwinden.
Das Erfordernis der Scheidung mag in Einzelfällen zu unbilligen Ergebnissen führen, gesetzestechnisch ist es leider unschlagbar logisch. Schwule oder lesbische Paare können in unserer Rechtsordnung keine Ehe schließen. Sie müssen das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft wählen. Nach § 10 TSG richten sich die Rechte und Pflichten ab Rechtskraft der Entscheidung nach dem neuen Geschlecht. Und zwar ex tunc, also der Transidente wird so behandelt, als ob er schon immer in dem neuen Geschlecht gelebt hätte. Würde man im Falle der Transsexuellen eine (dann gleichgeschlechtliche) Ehe zulassen, so würde man Lesben und Schwule diskriminieren.
Natürlich gibt es auch hier Ansatzpunkte, eine mögliche Verfassungswidrigkeit anzunehmen. Denn, eine Ehe besteht ja schon, welche den Schutz des Art 6 GG genießt. Der Gesetzgeber zwingt dann die betroffenen Personen für die Personenstandsänderung zur Scheidung. Diesen Aspekt könnte man sicher vortragen, dennoch halte ich einen entsprechenden Antrag aus oben dargestellten Gründen für wenig Erfolg versprechend, da nach Argumentation des BVerfG sachlich gerechtfertigt.
Interessant ist auch der umgekehrte Fall, was passiert mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft, wenn die Personenstandsänderung rechtskräftig ist. Im Gegensatz zu Ehe gibt es hier keine ausdrückliche Regelung.
Nach einer Ansicht soll eine bereits bestehende Lebenspartnerschaft analog zur Regelung des § 8 I Nr. 2 TSG ein Hindernis für die Personenstandsänderung sein, da es an der Grundvoraussetzung einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft dann fehle.
Nach der herrschenden Meinung steht eine eingetragene Lebenspartnerschaft § 8 I TSG nicht im Wege. Die Gesetzeslücke sei vielmehr bewusst in Kauf genommen worden. Man habe die Angleichung im Hinblick auf die geplante aber bislang noch nicht erfolgte Reform des TSG unterlassen. Da es so an einer planwidrigen Gesetzeslücke fehlt, ist eine analoge Anwendung nicht möglich.
Das bedeutet, dass die Existenz einer eingetragenen Lebenspartnerschaft einer personenstandsrechtlichen Neuzuordnung im Gerichtswege nach § 8 TSG nicht entgegen steht und es so entgegen dem Wortlaut des § 1 I LPartG eine eingetragene Lebenspartnerschaft zwischen Personen rechtlich verschiedener Geschlechtszugehörigkeit kommen kann.
Eine Auflösung der Lebenspartnerschaft über die bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten hinaus ist wegen Art 2 I iVm Art 1 I GG ohne gesetzliche Regelung nicht möglich (Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes). Das TSG umreißt den verfassungsrechtlichen Rahmen für die Grundrechtsentfaltung transsexueller Personen. Eine nachträgliche Einschränkung durch analoge Anwendung des § 8 I Nr.2 TSG stellt einen Grundrechtseingriff dar, der aufgrund seiner Bedeutung/Schwere gesetzlich geregelt werden muss.
Auch steht Art. 6 GG (Ehe) dem nicht entgegen, denn das Eingehen der Ehe wird in keiner Weise eingeschränkt, da der Raum für die Eheschließung erst nachträglich eröffnet wird.
Eine Änderung der Geschlechtszugehörigkeit hat demnach keine Beendigung der Lebenspartnerschaft zur Folge. Nach Rechtskraft des Gerichtsbeschlusses können die Lebenspartner dann miteinander eine Ehe eingehen. Da das LPartG kein ausdrückliches Ehehindernis normiert, steht die eingetragene Lebenspartnerschaft auch nicht der Ehe entgegen.